Ein Bericht des Super Sonntag vom 15. Dezember 2013
Aachen. Schwester Gertrud nimmt Platz auf ihrem Stuhl. Vor ihr befindet sich die Arbeitsplatte, an der eine Lampe angebracht
ist. Daneben liegt fein säuberlich aufgereiht ihr Handwerkszeug: Ein Skalpell, mehrere Schaber und ein Lineal. Wer nicht weiß, was die Schwester mit diesen Hilfsmitteln vorhat, wird auf Anhieb schwer erraten, was gleich passiert.
Sie trägt die braune Ordenstracht der Karmelitinnen und greift zur Seite in einen Karton mit mehreren Champagner-farbenen
Kerzen. Schwester Gertrud legt eine der Kerzen auf ihre Arbeitsplatte. Doch bevor sie damit beginnt die Kerzen zu verzieren, hält
Sr. Gertrud inne und betet still. „Für die Person, die eine solche Kerze erhält, bete ich während der Arbeit. Dieser spirituelle Hintergrund ist mir sehr wichtig", erklärt die Ordensfrau. Seit mehr als fünf Jahren verziert Schwester Gertrud Kerzen in der Kerzenwerkstatt der Karmelitinnen. Einige ihrer Kerzen beleuchten auch einige Aachener Kirchen. Nahezu täglich sitzt die Ordensfrau an ihrem Schreibtisch und bearbeitet die Aufträge, die erteilt werden. Das ganze Jahr über ist das ihre Aufgabe.
Osterkerzen, Kommunionkerzen, Taufkerzen, Adventskerzen oder einfach nur eine schöne Kerze als Geburtstagsgeschenk:
Für jeden Anlass gibt es die passenden Formen und Motive. „Zur Oster- und Weihnachtszeit ist natürlich besonders viel los." Dann häufen sich die Aufträge und Wünsche der Kunden. „Mir ist es wichtig, dass der Kunde und ich gemeinsam über die Wünsche sprechen und überlegen, wie sie umgesetzt werden können, sagt Schwester Gertrud. Jede Kerze gestaltet sie dabei individuell. „Ich spüre während der Arbeit, wie ich die Kerze gestalten muss. Gott begleitet mich während der Arbeit. Ich mache das aus dem Glauben heraus." Wie lange die jeweilige Verzierung dauert, das hängt von der Motivauswahl und der Größe der Kerze ab. Von acht Zentimeter bis 120 Zentimeter Länge ist alles möglich. „Je nach Motiv verziere ich von einer bis zu vier Stunden. Bei aufwendigen Motiven auch länger. Mit Handwärme oder speziellem Klebewachs bringe ich die Motive an.
Später werden die Kerzen noch lackiert", sagt Schwester Gertrud. Die Techniken zum Verzieren hat sie sich dabei größtenteils selbst beigebracht und über Jahre verfeinert. „Schon vor dem Eintritt in den Orden habe ich gerne gebastelt. Erst im Kloster habe ich wirklich angefangen auch Kerzen zu verzieren." In zwei Klöstern hat sie hospitiert und anderen Schwestern bei der Arbeit über die Schulter geschaut, ehe sie in der Aachener Kerzenwerkstatt angefangen hat. „Für die Arbeit benötigt man viel Geduld und Freude. Früher war ich sehr ungeduldig, doch durch die Arbeit mit den Kerzen habe ich gelernt, Geduld zu haben", fügt sie mit einem Lächeln hinzu. Qualität ist mir wichtig! In all den Jahren gab es auch den ein oder anderen kuriosen Motivwunsch: „Ein Kunde hat sich einen Hip-Hop-Tänzer auf einer Geburtstagskerze gewünscht. Andere wiederum wollten ihre Kerzen mit Eis-Hörnchen oder einen Kanu-Fahrer verzieren lassen. Es war viel Arbeit, aber alles hat geklappt", betont Schwester Gertrud zufrieden. (Eric Claßen)